Tryptophan, Serotonin und Mikronährstoffe
Wie der gestörte Tryptophan-Stoffwechsel deine Stimmung, Energie und Erholung beeinflussen kann
Warum du dich trotz „normaler Werte“ so schlecht fühlen kannst:
Viele Menschen mit Long COVID oder ME/CFS leiden unter Erschöpfung, Schlafstörungen, Reizbarkeit oder Konzentrationsproblemen – und das, obwohl Laborwerte, Herz, Lunge oder andere Organe „unauffällig“ sind. Ein zentraler, oft übersehener Mechanismus betrifft den Stoffwechsel der Aminosäure Tryptophan. Serotonin und Melatonin – zwei wichtige Botenstoffe für dein Wohlbefinden, deine Stimmung und deinen Schlaf – entstehen aus Tryptophan. Wird dieser Prozess gestört, kann das weitreichende Folgen für deine psychische und körperliche Erholung haben.
Diese Aminosäure spielt eine Schlüsselrolle in deinem Energie- und Nervensystem. Wenn dieser Stoffwechsel gestört ist, kann das tiefgreifende Auswirkungen auf dein Befinden haben, auch wenn andere Werte im „grünen Bereich“ liegen.
Neuere Studien zeigen, dass gerade chronisch-entzündliche Prozesse, wie sie bei Long COVID und ME/CFS häufig auftreten, einen subtilen, aber massiven Einfluss auf biochemische Gleichgewichte haben. Das kann erklären, warum klassische Laboruntersuchungen oft keine eindeutigen Ursachen liefern, obwohl die Symptome massiv einschränkend sind. Auch psychosomatische Erklärungsmodelle greifen hier zu kurz, wenn sie diese komplexen Stoffwechselveränderungen außer Acht lassen. Ein vertieftes Verständnis für diese biochemischen Abläufe kann dir helfen, deine Beschwerden besser einzuordnen – und gezielte Schritte zu gehen.
Tryptophan: Der Rohstoff für Serotonin und Melatonin
Tryptophan ist eine lebensnotwendige Aminosäure, die dein Körper nicht selbst herstellen kann. Aus Tryptophan wird über mehrere enzymatische Schritte Serotonin gebildet – ein Neurotransmitter, der für Stimmung, Schlaf, Appetitregulation, Schmerzempfinden und Gedächtnis wichtig ist. Daraus entsteht später Melatonin, dein natürliches Schlafhormon, das außerdem entzündungshemmend wirkt und antioxidative Eigenschaften besitzt.
Doch: Bei chronischen Entzündungen, wie sie nach Infekten oder bei ME/CFS vorkommen, wird Tryptophan oft nicht mehr zu Serotonin, sondern in einen anderen Stoffwechselweg umgeleitet. Diese sogenannte Kynurenin-Umleitung kann den Serotoninmangel verstärken, Schlafstörungen verschlimmern und dein emotionales Gleichgewicht erheblich beeinträchtigen. Gleichzeitig wird auch die Produktion von Melatonin reduziert – mit negativen Folgen für Schlafqualität, Immunabwehr und Zellregeneration.
Dabei entsteht ein Teufelskreis: Schlafmangel verstärkt Entzündungsprozesse, und diese wiederum hemmen erneut die Serotoninbildung. Du fühlst dich innerlich leer, antriebslos, reizbar oder unruhig – obwohl du „objektiv“ nichts falsch gemacht hast. Dieses Verständnis entlastet und erklärt vieles.
Welche Rolle spielen Spike-Proteine?
Spike-Proteine (entweder durch Virusinfektion oder nach Impfung gebildet) können auf mehreren Wegen deinen Tryptophan-Stoffwechsels beeinflussen:
- Aktivierung von Entzündungsrezeptoren (z. B. TLR4) und Ausschüttung von Interferon-gamma
Aktivierung des Enzyms IDO, das Tryptophan vermehrt in den Kynurenin-Weg lenkt - Erhöhte Durchlässigkeit der Blut-Hirn-Schranke, wodurch entzündliche Substanzen leichter ins Gehirn gelangen
- Neuroinflammatorisches Umfeld, das die Serotoninbildung weiter hemmt und das Nervensystem belastet
Dieser Zusammenhang könnte erklären, warum manche Menschen nach Infektion oder Impfung längerfristig unter Stimmungstiefs, kognitiver Erschöpfung und Schlafproblemen leiden. Das bedeutet nicht, dass bei jedem dieser Mechanismus aktiv ist – aber es ist ein möglicher Baustein, den es sich lohnt zu betrachten.
Spike-Proteine lassen sich inzwischen in spezialisierten Laboren nachweisen, z. B. über immunologische Methoden oder zelluläre Aktivierungstests. Ein solcher Nachweis kann helfen, chronisch-entzündliche Prozesse besser einzuordnen und individuell zu behandeln. Sprich mit uns darüber, ob eine solche Diagnostik für dich sinnvoll ist. Der Laborbefund kann Hinweise auf persistierende Entzündungsimpulse geben – ein möglicher „missing link“ bei bisher schwer fassbaren Symptomen.
Neue Studien zeigen, dass Spike-Protein-Fragmente sogar Jahre nach Infektion im Gewebe nachweisbar sind – z. B. in den Hirnhäuten und im Schädelknochenmark. Diese Persistenz wird mit chronischer Neuroinflammation in Verbindung gebracht. Außerdem wurden bei Menschen mit Long COVID messbare Verschiebungen im Tryptophan-Stoffwechsel nachgewiesen – insbesondere in Richtung Kynurenin statt Serotonin. Das kann deine Stimmung, deinen Schlaf und deine geistige Leistungsfähigkeit stark beeinflussen.
Die Umleitung: Warum Tryptophan „verloren geht“
Chronische Entzündungsbotenstoffe (z. B. Interferon-gamma) aktivieren das Enzym IDO, das Tryptophan vom Serotoninweg abzieht und in den Kynureninweg überführt.
Folgen dieser Umleitung:
- Weniger Serotonin → Stimmungstief, Schlafstörungen, Reizbarkeit
- Weniger Melatonin → Durchschlafprobleme, gestörter Tag-Nacht-Rhythmus
- Mehr Kynurenin → neuroaktive oder giftige Substanzen wie Quinolinat
- Weniger NAD+ → Energieverlust in den Mitochondrien
Diese Metabolite können neurotoxisch wirken, oxidativen Stress erhöhen und die Mikroglia überaktivieren – das sind Immunzellen im Gehirn, die Entzündungen fördern können. Die Folge: „brain fog“, Reizüberempfindlichkeit und anhaltende kognitive Beeinträchtigung.
Zudem wird das antioxidative System belastet, insbesondere Glutathion. Dies erhöht die Anfälligkeit für oxidativen Stress und kann eine mitochondriale Dysfunktion fördern – ein Kreislauf, der gezielt unterbrochen werden sollte.
Mikronährstoffe: Kleine Helfer mit großer Wirkung
Damit Tryptophan zu Serotonin umgewandelt werden kann, braucht dein Körper:
- Vitamin B6 (P5P)
- Magnesium
- Zink, Eisen, Vitamin C
Diese Mikronährstoffe sind bei Long COVID häufig im Mangel. Laut Charité-Fatigue-COVID-Studie (Scheibenbogen et al., 2021) bestehen bei vielen Patient:innen signifikante Defizite – vor allem bei B6, Zink und Magnesium. Internationale Reviews bestätigen dies.
Antioxidantien wie Curcumin, EGCG (Grünteeextrakt) oder Omega-3-Fettsäuren können die entzündungsbedingte IDO-Aktivität hemmen. Auch Selen, N-Acetylcystein und OPC (Traubenkernextrakt) wirken unterstützend.
Zusätzlich kann Niacinamid (Vitamin B3) helfen, den NAD+-Stoffwechsel zu stabilisieren, der bei chronischer Entzündung beeinträchtigt ist.
Was kannst du tun? Praktische Tipps
Individuelle Therapieansätze sollten stets in enger Abstimmung mit qualifiziertem medizinischem Fachpersonal erfolgen. Das Team von MedVital360 kann dich hier gezielt beraten, Laborparameter interpretieren und geeignete Maßnahmen vorschlagen – abgestimmt auf dein persönliches Beschwerdebild, deinen Stoffwechsel und deine Bedürfnisse.
Fazit: Kleine Substanz, große Wirkung
Tryptophan ist mehr als eine einfache Aminosäure – es ist ein zentrales Glied in der Kette zwischen Immunregulation, Schlaf, Stimmung und Energiegewinnung. Gerade bei komplexen Erkrankungen wie Long COVID und ME/CFS kann ein gestörter Tryptophan-Stoffwechsel ein entscheidender Faktor für anhaltende Beschwerden sein.
Ein vertieftes Verständnis dieser Zusammenhänge kann dir helfen, das Unsichtbare sichtbar zu machen: biochemische Ungleichgewichte, die mit gezielter Diagnostik und individueller Unterstützung beeinflusst werden können.
Du musst diese komplexe Reise nicht alleine antreten. Die interdisziplinären Fachkräfte von MedVital360 stehen dir zur Seite, um gemeinsam Ursachen zu verstehen, therapeutische Optionen zu prüfen und deinen Körper auf dem Weg zur Regeneration zu begleiten – Schritt für Schritt, individuell abgestimmt und mit wissenschaftlicher Fundierung.
Hinweis: Dieser Artikel ersetzt keine ärztliche oder therapeutische Beratung. Bitte konsultiere bei Beschwerden stets medizinisches Fachpersonal.
Aktuelle Studien und Quellen
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